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1982 Amokfahrt eines M60-Kampfpanzers der US Army durch die Mannheimer Innenstadt

Am 10. Juli 1982 ereignete sich die Amokfahrt eines M60-Kampfpanzers der US Army durch die Mannheimer Innenstadt. Der amerikanische Soldat Charles S. Keefer verschaffte sich etwa gegen 14:00h Zugang zu dem in der Mannheimer Sullivan-Barracks abgestellten Panzer, startete diesen und durchbrach den Kasernenzaun. Er fuhr, verfolgt von mehreren Streifenwagen der Polizei und der US Militärpolizei, über die B 38 und die Friedrich-Ebert-Brücke in Richtung Nationaltheater, wo er Richtung Hauptbahnhof abbog. Auf Höhe des Wasserturms fuhr er eine Schleife durch die Planken bis zur Querstraße zwischen M5 und M6 und anschließend zurück Richtung Kaiserring. Während der gesamten Fahrt wurden zahlreiche Autos überrollt, Laternen-, Ampel- und Oberleitungsmasten abgeknickt und viele Gebäude beschädigt. Nachdem Keefer wieder auf dem Kaiserring eingetroffen war, kam es im Bereich des Tattersalls zu einer Kollision mit dem hinteren Teil einer Straßenbahn. Der Straßenbahnfahrer Frank Pohle hatte einen kurzen Moment vorher die Situation erkannt und Fahrgäste im hinteren Teil der Straßenbahn aufgefordert, sofort in den vorderen Teil der Bahn zu kommen. Dieser Umstand verhinderte, dass es hier zu Verletzten oder gar schlimmerem kam. Der Panzer fuhr weiter auf dem Luisenring und bog schließlich auf die Kurpfalzbrücke ab. Etwa in der Mitte der Brücke stoppte Keefer den Panzer, kletterte in den Geschützturm und begann, die Kanone in verschiedene Richtungen zu schwenken. Danach drehte er den Panzer einmal um die eigene Achse, setzte anschließend mit Vollgas zurück, durchbrach dabei das Brückengeländer und stürzte in den zwölf Meter tiefer liegenden Neckar.

Bei der Mannheimer Feuerwehr gingen bereits zum Zeitpunkt, als sich der Panzer auf der B 38 befand, mehrere Notrufe ein. So wurden auch die ersten Kräfte nach der Kollision mit der Straßenbahn an den Tattersall entsandt, konnten dort jedoch kurze Zeit später wieder aus dem Einsatz entlassen werden. Nachdem der Panzer von der Kurpfalzbrücke in den Neckar gestürzt war, wurde Alarm für den Wasserrettungszug ausgelöst. Das erste vor Ort eintreffende Fahrzeug war das Mehrzweckboot (MZB) der DLRG, welches sich zum Zeitpunkt des Ereignisses auf einer Übungsfahrt auf dem Neckar befand und dessen Besatzung das Geschehen mit angesehen hatte. Im weiteren Verlauf des Einsatzes diente das MZB als Basis für die eingesetzten Taucher. Die zuerst eingetroffenen Taucher der Berufsfeuerwehr Mannheim gingen an der Einsatzstelle umgehend zu Wasser, was sich zunächst aufgrund der zahlreichen Schaulustigen, die sich mittlerweile an beiden Ufern und der Kurpfalzbrücke selbst versammelt hatten, als gar nicht so einfach gestaltete. Erst mit Hilfe der Polizei konnte der notwendige Raum für den Einsatz geschaffen werden. Die Polizei sicherte daraufhin auch die Kurpfalzbrücke selbst, schließlich fehlte auf der einen Seite auf mehreren Metern auch das Brückengeländer.

Die Taucher konnten den Panzer schnell lokalisieren und stellten bei den ersten Erkundungen fest, dass dieser in etwa sechs Metern Tiefe quasi kopfüber im Schlick des Neckargrundes lag. Ein direkter Zugang zu Luken oder Öffnungen war dadurch nicht möglich, ob Keefer den Sturz überlebt hatte konnte somit ebenfalls nicht sicher festgestellt werden. Auf Klopfzeichen gab es keine Reaktion.

Im weiteren Verlauf der Rettungsaktion wurde zunächst versucht, mit Hilfe von drei Bergepanzern vom Typ M88 der US Army den verunglückten Panzer aus dem Fluss zu ziehen. Die Taucher der Berufsfeuerwehr befestigten dazu in mehreren Tauchgängen die schweren Trossen der Seilwinden am Panzer, was zweifelsfrei als Schwerstarbeit einzustufen ist. Die Zugversuche scheiterten jedoch, die Bergepanzer wurden bis zur Leistungsgrenze belastet, ohne dass sich der Panzer am Grund des Neckars bewegen lies. Schließlich fielen zwei der drei Bergepanzer mit Defekten komplett aus, sodass die Versuche eingestellt werden mussten. Die Bergung gelang schließlich erst, als der Schwimmkran „Achilles“, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf einer Baustelle in Speyer befand, einen Tag später an die Einsatzstelle geholt werden konnte. Ein weiteres Mal tauchten die Taucher der Berufsfeuerwehr hinab zum Panzer, befestigten die Trossen erneut, was schließlich den Panzer zurück an die Wasseroberfläche brachte. Dort wurden die Trossen nochmals umgehängt um den Hebevorgang sicherer durchzuführen. Der Panzer wurde schließlich am Sonntag gegen 15:30h am Neckarufer abgesetzt, danach bestand die Gewissheit, dass Keefer den Unfall nicht überlebt hatte. Was ihn zu der Tat veranlasste konnte final nie wirklich ermittelt werden. Die Obduktion seiner Leiche ergab, dass er weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand. Ob er psychische Probleme hatte oder der Auslöser durch einen Vorfall im privaten oder dienstlichen Umfeld zu suchen war, bleibt Spekulation. Der Panzer war bei seiner Fahrt mit mehreren Geschossen beladen gewesen, die späteren Ermittlungen ergaben jedoch, dass ein Teil der Abschussvorrichtung nicht vorhanden war, sodass seitens des Geschützes glücklicherweise keine Gefahr bestand.

Nicht unerwähnt bleiben sollen in diesem Zusammenhang der Militärpolizist Geoffrey Lear und der Soldat Michael R. Mowrey, die Keefer und den gestohlenen Panzer bereits seit dem Ausbruch aus den Sullivan-Barracks in einem PKW verfolgten. Mowrey gelang es, in Höhe des Tattersalls aus dem PKW auf den Panzer zu springen und er versuchte, durch die offenstehende Klappe des Fahrerplatzes den Hebel für die Feuerlöschanlage zu erreichen. Seine Idee war diese auszulösen, was den Panzer umgehend angehalten hätte. Bei dieser Aktion hat Mowrey wohl auch kurzzeitig Keefer direkt in die Augen gesehen. Mowrey verlor durch ein Fahrmanöver Keefers jedoch den Halt und fiel direkt vor den Panzer, der über ihn hinweg fuhr. Mowrey zog sich dabei eine Verletzung an der Schulter zu, blieb aber aufgrund der Bodenfreiheit des Panzers und der Tatsache, dass die Ketten ihn verfehlten, darüber hinaus glücklicherweise unverletzt.

Insgesamt entstand ein Sachschaden von etwa 2 Millionen D-Mark, dass die Zahl der Verletzten trotz aller Ereignisse nur im einstelligen Bereich lag, ist sicherlich ein glücklicher Zufall. Dem Verhältnis der Mannheimer zu den in ihrer Stadt stationierten amerikanischen Truppen hat dieses Ereignis glücklicherweise nicht nachhaltig geschadet, auch nachdem klar war, dass dies das Werk eines Einzeltäters darstellte und die Amerikaner anschließend ihre Sicherheitsvorkehrungen in diesem Bereich massiv erhöht hatten.

Bilder mit freundlicher Genehmigung der Bildstelle der Feuerwehr Mannheim, der Bericht entstand auch mit Hilfe der Berichterstattung durch Bert Siegelmann im Mannheimer Morgen.

 

 

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GEMEIN SCHAFT

1 Kommentar

  1. 1
    Lars de Vries

    Was für eine unfassbare Geschichte…!!! Was hätte da alles passieren können, vor allem wenn er die Bordkanone hätte einsetzen können…!!!! Bleibt alles Spekulation und wird nach nun 40 Jahren nicht mehr geklärt. Der Fahrer ist dabei ums Leben gekommen und hätte viele Menschen wissentlich mit in den Tod reißen können. Ich möchte gar nicht wissen wie viel Recherchearbeit in dem Text steckt, der rundet diesen kaum vorstellbare Tat perfekt ab. Ich bedanke mich sehr herzlich beim Kurpfälzer Verein für Feuerwehrgeschichte Mannheim e.V für die Erlaubnis diesen Beitrag zu nutzen. Danke natürlich auch an die Feuerwehr Mannheim und Herrn Bert Siegelmann.

    Gruß Lars

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