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1982 Starke Wehr – Galerie Multhaupt

September 1982.

Mein Maßband war schon bis auf einen kleinen Rest runtergeschnitten. Trotzdem mussten wir nochmal kräftig ran. Meine Einheit, die 2. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 192 aus Ahlen durfte inklusive unseres zur Entlassung anstehenden Zuges noch einmal voll loslegen und den Ernstfall in Norddeutschland üben. Es gab natürlich schon Tage vorher eine Urlaubssprerre zur Vorbereitung und dann ging es in der Nacht zum 10.09.1982 zusammen mit unseren LKW und Mardern los. Von der nächtlichen Verladung der Fahrzeuge auf die Güterwagons, dem zwischenzeitigen Verlust von 3 Schützenpanzern, die irgendwie und irgendwann von der Bahn abgehängt wurden und dann in Hamburg aufgetaucht sind und uns mit 2 Tagen Verspätung nachgeschickt wurden, bis hin zu den nächtlichen Verlegungen durch kleine Ortschaften deren Straßenbeläge und Vorgärten durchpflügt wurden, ich könnte noch so viel berichten, was sicher die meisten hier langweilen würde.
Eine Sache, an die ich mich sehr sehr gerne erinnere und die ich immer wieder gerne erzähle möchte ich aber doch hier loswerden, weil ich noch ein Foto dazu habe. Es ist das mit dem Bauernhof. Bei einer nächtlichen Verlegung waren die Bataillonsküchenwagen bis auf ein Fahrzeug irgendwo falsch abgebogen oder waren sie “abgeschossen” worden? Jedenfalls waren sie weg! Wir hatten bis auf ein paar Äpfel und Kaltgetränke nichts zu essen und zu trinken.Eingestellt waren wir an einem Gehöft irgendwo im Nirgendwo. Nachdem wir den Unimog und den KAT getarnt hatten gab es jene Äpfel als Frühstück. Die Mägen waren ziemlich leer und nach 3 Tagen waren wir auch bereits, sagen wir mal, nicht mehr so salonfähig.Als wir zu dritt, vollkommen übermüdet und ziemlich abgekämpft über den Hof schlichen, winkte und die Bäuerin vom Scheunentor kräftig zu. Wir gingen also hin, um zu fragen, ob unsere Fahrzeuge irgenwie den Hofbetrieb behinderten. Sie verneinte und bat uns, ins Gebäude zu kommen. Wir überlegten bei diesem freundlichen Gesicht, welches uns mitleidig anlächelte, nicht lange und betraten erwartungsvoll das Haus. Dort bot sie uns freundlich läche lnd an, erstmal ihr Bad zu benutzen um uns ein wenig frisch zu machen. Was für ein Segen. Eine Toilette, ein Waschbecken mit warmen Wasser und frische Handtücher für jeden von uns. Herrlich!!!
Wieder in der Deele angekommen wurden wir von der Bäuerin in die Küche geholt. Dort erwartete und ein reich gedeckter Frühstückstisch und warmer Kaffee. Was diese Frau aufgefahren hat war unglaublich. Sie bat uns immer wieder, doch noch dies und das zu probieren bis wirklich keiner mehr “papp” sagen konnte.
Währenddessen mussten wir ihr reichlich über unsere Herkunft und aus unserem Privatleben berichten. Sie teilte uns dann während des Gespräches mit, dass auch ihr Sohn bei der Bundeswehr irgendwo in Süddeutschland seinen Wehrdienst absolvierte und sie mit uns Mitleid gehabt hätte. Sie hatte wohl heimlich bei uns zugehört und diese Küchengeschichte mitbekommen. Außerdem fand sie es absolut gut, dass die jungen Männer zu der Zeit einen Teil ihres Lebens für die Verteidigung Deutschlands aufopferten. Da wäre ihr “kleines Opfer” doch nur ein gerne gegebenes Dankeschön. Frisch gereinigt, mit vollen Bäuchen und gut aufgewärmt verabschiedeten wir uns dann irgendwann, weil man offenkundig nach uns suchte. Es gab einen herzlichen Abschied und nach kurzer Zeit erfolgte dann wieder der Abtarnbefehl und unser Aufbruch.

Ich habe mir leider nicht merken können, wo dieser Hof stand. Gerne hätte ich nach meiner Dienstzeit dort nochmal mit einem Blumenstrauß “Danke” gesagt. Was aber bleibt ist die Erinnerung an diese schönen Momente und die Erfahrung, dass die Bundeswehr damals aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht und der Allgegenwärtigkeit im Volk viel besser verankert war als heute und dass die Menschen wussten, wofür wir das alles gemacht haben.

Jörg Multhaupt OG d. Res.


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Joerg Multhaupt

4 Kommentare

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  1. 4
    Sven Schroeder

    Moin Jörg,

    das dürfte der Hof hier gewesen sein:

    Behlinger Mühle 3,

    31609 Balge

    ich bin dort in der Nähe aufgewachsen, und der beste Freund meines Bruders hat dort gewohnt.

    Leider wohnt die Familie dort nicht mehr.

    Gruß

    Sven

  2. 3
    Totti

    Moin Jörg….sehr schöne Story von dir. Kann das total alles nachvolziehen. Bei unserer Heeresübung 1989 standen wir auch an einem Gehöft angelehnt und wurden ebenfalls toll von dem Bauern verpflegt. Die beiden Söhne waren sehr interessiert wie es im Leo 2 aussieht und kamen im Gegenzug zur Besichtigung. Abends kam ein Brautpaar mit Fotografen vorbei und machte ein Paar “Schnappschüße” vor unserem “Bock”. Herrliche Storys die einem da immer wieder einfallen….!! Danke dir für diesen Beitrag!!

    Grüße

    Totti

  3. 2
    Joerg Waldhelm

    Tolle Geschichte! Liest sich sehr gut! Heute hingegen wird schon mit der Überschift “Soldaten überrumpeln Gemeindeverwaltung” eine Sensationsnegativschlagzeile gemacht, wenn kurzfristig angefragt wird, ob man DGHs oder Sportlerheime zur Verfügung stellen könnte und es wird gejammert, wenn mal ein Marder am Waldrand abseits von asphaltierten Wegen Deckung findet…

    Gruß

    Jörg

  4. 1
    Lars de Vries

    Moin Jörg,

    genau diese Beiträge sind das Salz in der Suppe. Auch wenn nicht mit Kette oder ähnlichen, deine Geschichte aber die du grandios zu erzählen weißt ist einfach großartig. Herzlichen Dank an dich das du das mit uns teilst und auf unserer Seite verewigst, den genau hier gehört sie hin.

    Beste Grüße aus dem Weserbergland
    Lars

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