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1982 Internationale Luftschiffertage Mannheim – Hubschrauberabsturz einer CH 47-C Chinook der US Army

Am 11. September 1982, kam es zu einem weiteren tragischen Ereignis, welches die Stadt Mannheim in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte. Eigentlich sollte es ein fröhlicher Tag werden, hatte Mannheim doch 375 Jahre zuvor die Stadtrechte verliehen bekommen. Um dieses Ereignis gebührend zu feiern, wurden auf dem Neuostheimer Flugplatz erstmalig die „Internationalen Luftschiffertage 1982“ ausgerichtet. Dabei handelte es sich um ein großes, ursprünglich für drei Tage angesetztes Volksfest, bei dem mit verschiedenen Vorführungen auch an die Rolle der Stadt in der Entwicklung der deutschen Luftfahrtgeschichte erinnert werden sollte, war Mannheim in der Vergangenheit doch mit der Firma Schütte-Lanz einer von zwei großen Standorten für den Bau von Luftschiffen in Deutschland. Für einen reibungslosen Verlauf der Feierlichkeiten waren verschiedene Vorkehrungen getroffen worden. So befanden sich unter anderem die Abteilung Nord der Freiwilligen Feuerwehr Mannheim, das THW Ortsverband Mannheim, verschiedene Mannheimer Hilfsorganisationen sowie die Polizei zur Gewährleistung der Sicherheit der Veranstaltung und ihrer Besucher auf dem Gelände des Flugplatzes.

Teil des Programms der Luftschiffertage war neben einer Flugparade und einem Massenstart von Gasballonen ebenfalls ein Weltrekordversuch im Fallschirmspringen. Hierzu sollte eine größere Gruppe von Fallschirmspringern aus verschiedenen Nationen über dem Flugplatz Neuostheim abspringen und dann gemeinsam im freien Fall die bisher weltweit größte Kreisformation über Mannheim bilden. Um die benötigte Anzahl von Springern, damit diese Leistung auch als Weltrekord anerkannt werden konnte, in geeigneter Weise in die Luft zu bekommen, bat man über die Stadt das in Heidelberg stationierte Kommando der US Army um Unterstützung durch geeignete Hubschrauber. Dies gestaltete sich jedoch nicht ganz einfach, denn genau zur selben Zeit fand das alljährliche Großmanöver „REFORGER“ („Returning forces to Germany“) statt. Die in der Mannheimer Coleman-Barracks stationierte 295th Assault Support Helicopter Company (Spitzname „Cyclones“), deren Aufgabe es im Verteidigungsfall war, möglichst schnell größere Truppenbewegungen durchzuführen, war größtenteils nach Illesheim zum Manövereinsatz abkommandiert. Zurück in Mannheim blieb lediglich eine kleine Gruppe mit wenigen Maschinen als Reserve. Im Kommando der US Army wollte man aufgrund der guten Beziehungen zur Stadt Mannheim und der damit verbundenen positiven Außenwirkung, den Weltrekordversuch jedoch trotz der Belastungen durch das Manöver unterstützen, sodass für den großen Tag insgesamt zwei Maschinen vom Typ CH 47-C (auch „Chinook“ genannt) zugesagt wurden. Eine der beiden Maschinen trug die Army-interne Registriernummer 74-22292. Im täglichen Betrieb wurden die Maschinen von den Piloten und den anderen Mitgliedern der 295th Lufttransporteinheit immer nach den letzten drei Ziffern benannt, in diesem Fall also „292“. Die 292 kam 1976 zur US Army und hatte am Tag des Weltrekordversuchs lediglich knapp 900 Einsatzstunden abgeleistet. Es war weiterhin üblich, dass Pilot und Copilot soweit möglich immer die gleiche Maschine behielten und auch für diese verantwortlich waren. Im Falle von 292 waren dies eigentlich die Piloten Al M. Dutschi und Jose L. Vega. Beiden waren jedoch im Rahmen von Reforger mit anderen Maschinen nach Illesheim kommandiert worden, sodass 292 in den Coleman-Barracks zurückblieb.

Nachdem der Einsatzbefehl für die Teilnahme an den Luftschiffertagen aus dem Hauptquartier der US Army bei den zuständigen Stellen in der Coleman-Barracks eingetroffen war, wurden dort die beiden Maschinen und die dazugehörige die Crew zusammengestellt. Die Wahl fiel unter anderem auf den Chinook 292, dessen Besatzung wie folgt eingeteilt wurde:

Chief Warrant Officer Leon E. Schoenborn (43), Pilot,

Chief Warrant Officer Douglas J. Eschler (34), Copilot,

Staff Sgt Alvin G. Edwards (29), Flugingenieur,

Sgt. Joseph Cruz (25), Verantwortlicher Offizier,

Pfc Robert J. Stewart (29), Crewmitglied,

Leon Schoenborn hatte zu dieser Zeit innerhalb der in Mannheim stationierten Army-Einheit andere wichtige Aufgaben, Douglas Eschler’s Ehefrau hatte ein paar Tage zuvor das fünfte gemeinsame Kind entbunden, deshalb haben beide nicht am Manöver in Illesheim teilgenommen und standen für den Auftrag zur Verfügung.

292 hob zusammen mit der zweiten Maschine am Morgen des 11. September 1982 nach Plan in der Coleman-Barracks ab und traf nach kurzer Flugzeit pünktlich am Neuostheimer Flugplatz ein. Vor Ort folgten verschiedene Abstimmungen mit den Organisatoren des Weltrekordversuchs, so war geplant, dass beide Maschinen mit den Fallschirmspringern an Bord auf eine Höhe von 13.000 Fuß (etwa 4.000m) stiegen und dort der Absprung erfolgt. Im Rahmen dieser Besprechung kamen wohl Bedenken auf, dass der Ausstieg aus zwei Helikoptern evtl. zu Problemen mit dem Zusammenschluss der Springer zur geplanten Formation im freien Fall führen könnte. Vermutlich fiel zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung, für den Weltrekordversuch schlussendlich lediglich einen der beiden Helikopter einzusetzen, dies hatte auch zur Folge, dass nicht alle ursprünglich vorgesehenen Springer am Weltrekordversuch teilnehmen konnten.

Am gleichen Morgen herrschte bereits reges Treiben auf dem Flugplatz Neuostheim. Die Abteilung Nord der Freiwilligen Feuerwehr Mannheim war schon früh vor Ort und sollte mit einem Funkkommandowagen, zwei Unimog-Tanklöschfahrzeugen und dem ihr damals zugeordneten TLF 16 (Pullman) den Brandschutz für die Veranstaltung sicherstellen. Dies war unter anderem auch erforderlich, da im Rahmen der Veranstaltung am Vortag ein Massenstart von mit Wasserstoff gefüllten Fesselballons vorgesehen war. Diese wurden schon früh mit mehreren Tankfahrzeugen Stück für Stück befüllt, der Start verlief ohne Probleme. Unter der Leitung des damaligen Abteilungskommandanten Willi Müller war die Abteilung Nord zuvor von der Feuerwache Nord und aus dem Stützpunkt Ladenburg aufgebrochen du hatte vor Ort zusammen mit dem THW auf dem Flugfeld Stellung bezogen. Das THW Mannheim hatte damals für die am Weltrekordversuch teilnehmenden Fallschirmspringer und für die Ballonfahrer eine Zeltstadt auf dem Gelände errichtet und betrieb diese über das gesamte Wochenende. Darüber hinaus nahm das THW verschiedene Sicherungsaufgaben rund um die Veranstaltung wahr, unter anderem war der Helfer Fritz Barth zur Unterstützung des Personals im Tower dorthin abgeordnet. Weiterhin wurde durch das THW die zentrale Koordinierungsstelle in einem damals neuen Führungsfahrzeug für alle eingesetzten Einheiten betrieben.

In der Unterkunft des THW in Seckenheim fand zum gleichen Zeitpunkt die Fachausbildung für den Bergungsdienst statt. Darüber hinaus erwartete das THW hohen Besuch aus dem Gemeinderat, hier hatte sich an diesem Samstag eine Delegation der SPD-Fraktion angekündigt, um sich ein Bild von der Arbeit der Katastrophenschützer zu machen. Mit dabei waren der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD und spätere Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder sowie die spätere Bundestagabgeordnete Dr. Konstanze Wegner. Aus diesem Grunde war ebenfalls auch der damalige Landesbeauftragte des THW für Baden- Württemberg, Rolf Schneider, nach Mannheim angereist. Für alle drei war ein umfangreiches Programm vorbereitet worden, neben der Besichtigung der Unterkunft in Seckenheim und einer Präsentation des ersten Bergungszuges unter Zugführer Norbert Meyer waren auch ein Besuch auf dem Wasserübungsplatz in Sandhofen sowie ein Besuch der Aktivitäten auf dem Flugplatz Neuostheim vorgesehen. Die Delegation startete gegen 10:00h in Seckenheim und fuhr zunächst nach Sandhofen um den Wasserübungsplatz, der damals von der Feuerwehr und dem THW zusammen genutzt wurde, zu besichtigen.

Gegen 12:00h hieß es für die am Weltrekordversuch beteiligten „einsteigen“. Die Crew von 292 hatte zuvor die Chinook dem regelmäßigen Check vor dem Start unterzogen und keinerlei Auffälligkeiten festgestellt, sodass Flugingenieur Alvin G. Edwards, der die Chinook zwar persönlich als Helikopter nicht unbedingt mochte, schließlich jedoch den Start freigeben konnte. So verteilten Edwards, Cruz und Stewart die insgesamt 23 französischen, neun britischen und sechs deutschen Fallschirmspringer an Bord. Alle Fallschirmspringer stammten aus Mannheim und seinen Partnerstädten Toulon und Swansea. Weiterhin kam ein Fernsehteam des AFN mit an Bord, um über den Weltrekordversuch zu berichten. Unter der Leitung von Major Lee Devault (36) vom US Army Hauptquartier Heidelberg stiegen ebenfalls Pvt. Bruce Scott (21) als Kameramann und Senior Airman Michael A. Sutton (26) als Reporter mit an Bord von 292. Ein ebenfalls vorgesehenes Fernsehteam des ZDF konnte aufgrund der Tatsache, dass der Helikopter nur über 33 Sitzplätze verfügte und damit 11 der Passagiere schon stehen mussten, nicht mehr mit an Bord genommen werden. Gegen 12:30h starteten Leon Schoenborn und Douglas Eschler die Triebwerke von 292 und hoben ohne Probleme in den Mannheimer Himmel ab.

Im Neuostheimer Tower herrschte zu diesem Zeitpunkt nur wenig Funkverkehr, alle dort anwesenden beobachteten den Start von 292 und warteten nun gespannt auf den Ausgang des Weltrekordversuchs. Fritz Barth widmete sich, nachdem 292 zunächst nicht mehr zu sehen war, wieder seinen Aufgaben als Verbindungsperson zur Einsatzleitung der Rettungskräfte und unterstützte beim Freihalten der Grasbahn, auf der die Fallschirmspringer landen sollten.

Etwa gegen 12:42h stellten Leon Schoenborn und Douglas Eschler fest, dass eine Warnleuchte im Cockpit anfing zu blinken. Ebenfalls war ein unbekanntes Geräusch zu hören. Sie befanden sich mit 292 zu diesem Zeitpunkt etwa auf einer Höhe von 8.000 – 9.000 Fuß (etwa 2.500 – 2.700m). Beide entschieden daraufhin mit 292 umgehend zum Boden zurückzukehren. Leon Schoenborn informierte daraufhin zuerst den Tower Neuostheim über die aktuelle Situation, anschließend gab er einen Funkspruch über das interne Funksystem der Army ab. Der Tower bestätigte den Funkspruch und den Wunsch unmittelbar zurückzukehren, der Pilot des zweiten Chinook war zum diesem Zeitpunkt ebenfalls in sein Cockpit gestiegen und bekam den zweiten Funkspruch auf der Army-Frequenz ebenfalls mit. Leon Schoenborn und Douglas Eschler versetzten daraufhin 292 umgehend in einen Autorotationssinkflug, das bedeutet, dass der Helikopter ohne Wirkung der Triebwerke sich quasi eigenständig stabilisiert und nach unten geht.

Der Autorotationsflug dauerte nur wenige Minuten. Auf einer Höhe von ungefähr 800 Fuß (etwa 250m) entschieden sich Leon Schoenborn und Douglas Eschler entgegen der ursprünglichen Planung nicht auf dem Flugfeld direkt, sondern auf einem Feld neben der Autobahn zu landen um die große Menschenmenge, die sich auf dem Flugplatz befand, nicht zu gefährden. Um das weitere Sinken im Autorotationsflug zu beenden und eine Schleife zu fliegen wurden die Treibwerke durch die beiden Piloten wieder auf Leistung gebracht. Genau in diesem Moment war ein großer Knall zu hören, begleitet von einem lauten Rauschen.

Die Anwesenden im Tower und die Zuschauer auf dem Flugplatz, unter denen sich auch viele Angehörige der an Bord befindlichen Fallschirmspringer befanden, mussten unmittelbar daraufhin mit ansehen, wie sich die vorderen und die hinteren Rotorblätter von 292 berührten, der hintere Antriebsstrang daraufhin aus dem Helikopter herausgerissen wurde und 292 nach einer Drehung auf die rechte Seite wie ein Stein auf die Autobahn 656 fiel. Beim Aufschlag explodierten die Treibstofftanks in einem großen Feuerball.

Nach einer kurzen Schrecksekunde liefen umgehend die Rettungsmaßnahmen an. Abteilungskommandant Müller befahl umgehend alle anwesenden Kräfte der Abteilung Nord auf die Autobahn und informierte die Feuerwehrleitstelle. Die Einsatzkräfte des THW schlossen sich sofort den Kollegen der Feuerwehr an. Über den THW-eigenen Funkkanal wurden durch die Einsatzleitung auf dem Flugplatz sofort weitere Kräfte aus der Unterkunft Seckenheim angefordert, weiterhin nahm der damalige Ortsbeauftragte des THW Manfred Stiegel, der den Funkspruch aus der Einsatzleitung des THW mitbekommen und zu diesem Zeitpunkt gerade mit Gerhard Widder, Dr. Konstanze Wegner und Rolf Schneider auf dem Rückweg vom Wasserübungsplatz zur Unterkunft in Seckenheim war, ebenfalls sofort die Anfahrt zur Einsatzstelle auf.

Den Kräften der Abteilung Nord, welche als erstes an der Einsatzstelle eintrafen, bot sich vor Ort ein Bild des Grauens. Die Reste des Hubschraubers lagen brennend auf der Autobahn, im Umfeld der Einschlagsstelle waren die ersten Leichen zu entdecken. Abteilungskommandant Müller gab nach einer kurzen Erkundung eine sofortige Rückmeldung an die Feuerwehrleitstelle. Diese hatte mittlerweile die Löschzüge Mitte und Süd, das Trockenlöschfahrzeug sowie ein Großtanklöschfahrzeug alarmiert. Weiterhin machte sich der diensthabende Direktionsdienst Brandrat Rolf Schmid auf den Weg zur Einsatzstelle und traf noch vor den Kräften der Berufsfeuerwehr am Unglücksort ein. Er übernahm anschließend sofort die Einsatzleitung. Die Abteilung Nord hatte mittlerweile damit begonnen, über die Tanklöschfahrzeuge einen umfassenden Schaumangriff in die Wege zu leiten. Auf der Autobahn wurden ebenfalls zwei Personen angetroffen, die zunächst in einen sicheren Bereich gebracht wurden. Wie sich später herausstellte, waren eben diese beiden Personen mit ihrem VW Käfer zu diesem Zeitpunkt auf der Autobahn in Richtung Heidelberg unterwegs, als 292 unmittelbar vor ihnen auf die Autobahn stürzte. Dem Fahrer gelang es noch den VW zum Stehen zu bringen und beide Personen konnten das Fahrzeug unverletzt verlassen. Nach dem Eintreffen der Kräfte der Berufsfeuerwehr wurde der eingeleitete Schaumangriff aus verschiedenen Richtungen erweitert. Da auf der Autobahn keine Hydranten vorhanden sind, wurde ein Pendelverkehr mit den vorhandenen Tanklöschfahrzeugen organisiert. Nach etwa 30 Minuten zeigten die eingeleiteten Maßnahmen Wirkung, sodass schließlich „Feuer aus“ gegeben werden konnte. Nach einer Abkühlphase wurde damit begonnen, den Schaum mit Wasser wieder zu entfernen. Schon vorher hatte sich jedoch schnell die Gewissheit eingestellt, dass wohl keiner der an Bord von 292 Anwesenden diesen Unfall überlebt hatte. Mit der Entfernung des Schaums kam auch das volle Grauen dieses Unglücks wieder zum Vorschein. Viele der eingesetzten Kräfte hatten noch Jahre nach dem Einsatz mit den an der Einsatzstelle auf sie einwirkenden Eindrücken zu kämpfen, einige sogar bis heute.

Der Bereich um die Absturzstelle wurde durch die Polizei und die amerikanische Militärpolizei weitläufig abgesperrt und offiziell beschlagnahmt. Weiterhin machten sich Flugunfallexperten der US Army aus Fort Rucker (Alabama) auf den Weg nach Mannheim, diese trafen am Sonntagmorgen an der Unglücksstelle ein. Zur Ermittlung der Unfallursache wurde die Absturzstelle mit Hilfe von Kunststoffbändern in quadratische Sektoren eingeteilt und diese einzeln dokumentiert. Ebenfalls wurden die Leichen der Verunglückten mit Nummern gekennzeichnet. Aufgrund des warmen Wetters, Mannheim befand sich mitten in einem spätsommerlichen Hochdruckgebiet, machte sich mehr und mehr ein übler Verwesungsgeruch an der Unglückstelle breit. Nach Abschluss der Unfallaufnahme begann am darauffolgenden Montag die Bergung der Leichen. Diese wurde hauptsächlich durch die Kräfte des THW in Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr durchgeführt. Dies gestaltete sich sehr schwierig, waren doch einige der Opfer bis zur Unkenntlichkeit verbrannt bzw. stark entstellt, sodass auch die zur Unterstützung an der Einsatzstelle eingetroffenen Pathologen nur schwer mit ihrer Arbeit vorankamen. Über die psychischen Belastungen, denen die Kräfte bei der Bergung ausgesetzt waren, braucht man an dieser Stelle sicherlich keinerlei Worte zu verlieren. Wie bereits beschrieben, haben sich die Bilder, die die Beteiligten damals aufgenommen haben, bis heute bei einigen ins Gedächtnis gebrannt. Der Nachfolger von Willi Müller als Abteilungskommandant der Abteilung Nord, Bernd Zingraff, erinnert sich noch an die Rückkehr der eingesetzten Kräfte zum Stützpunkt Ladenburg. Er selbst war aufgrund anderer Verpflichtungen an diesem Tage nicht im Dienst und hatte von dem Unglück bis zum damaligen Zeitpunkt nichts mitbekommen. Erst als er seine Kameraden im Stützpunkt Ladenburg teilweise aus tiefstem Herzen weinend auf dem Boden sitzen sah, erfuhr er von seinem Cousin Volker Zingraff, was passiert war. Volker Zingraff war von Anfang an dabei gewesen, hatte selbst schon viele schwere Einsätze miterlebt, aber dieses Ereignis stellte alles zuvor Mitgemachte noch über Jahre in den Schatten.

Das THW hatte im Zusammenhang mit der Bergung auch den Transport eines Großteils der Opfer organisieren müssen. So wurden aufgrund der großen Anzahl mehrere LKW Ladungen von leeren Särgen im städtischen Friedhofsamt abgeholt und nach der Bergung anschließend wieder dorthin zurücktransportiert.

Nach Ende der Bergungsmaßnahmen wurden die Überreste von 292 abtransportiert und zunächst in der Coleman-Barracks in einem Hangar zwischengelagert. Anschließend erfolgte ein Weitertransport zur US-Army Basis nach Corpus Christi in Texas. Dort wurde schließlich auch die Ursache für das Unglück festgestellt. Primär war es so, dass die Schmierdüsen des Verteilergetriebes von 292 mit einer Mischung aus Wallnussschalenschrot und Fett verstopft waren. Dadurch war eine ausreichende Schmierung des Getriebes nicht mehr möglich und es kam in dem Moment, in dem durch die Piloten wieder Leistung auf die Triebwerke und damit Last auf das Getriebe gegeben wurde, zum Totalversagen der Getriebes. Damit war die Synchronisation der beiden Rotoren nicht mehr gegeben, es kam zur Berührung und zum Absturz. Wie die Walnussschalen in das System gelangen konnten wurde ebenfalls ermittelt. Entgegen erster Berichte, nachdem das Schmieröl mit den Schalen verunreinigt gewesen sein soll, stellte sich die Ursache als weit profaner heraus. Das Walnussschalenschrot wurde nach Vorgaben des Herstellers bei der US-Army zu Wartungsarbeiten und bei der turnusgemäßen Überarbeitung der Getriebe als Reinigungsmittel eingesetzt. Es wurde mit hohem Druck zur Entfernung von allerlei Verunreinigungen verwendet, da es nicht, wie metallische Reinigungspartikel, die Metallteile beschädigen konnte. Nach Abschluss der Reinigung war es jedoch erforderlich, dass die Reste der Wallnussschalen unter hohem Druck mit Pressluft entfernt wurden. Und genau hier lag das Problem, denn durch eine Inspektion der für die Arbeitssicherheit zuständigen Stellen, wurde der zum Ausblasen genutzte Druck als zu hoch und damit gefährlich für die die Arbeiten ausführenden Mechaniker eingeschätzt. Daraufhin wurde somit für diese Arbeiten per Anweisung der Druck reduziert und andere Werkzeuge eingesetzt. Dies hatte jedoch zur Folge, dass das Walnussschalenschrot nun nicht mehr vollständig aus den Bauteilen entfernt werden konnte, was zunächst aber auch niemandem auffiel. In Verbindung mit einem bestimmten, bei einigen Arbeiten eingesetztem mechanischen Fett, konnte es dann zur Bildung der Klumpen kommen, die die Einspritzdüsen schließlich verstopf hatten. Die US-Army verfügte unmittelbar nach dem Absturz von 292 ein flächendeckendes Startverbot für alle Chinooks. Nach der Ermittlung der Ursache wurden alle Maschinen des Typs CH-47 C daraufhin überprüft, die Verunreinigungen, welche 292 zum Absturz brachten, wurde dabei noch bei anderen Maschinen festgestellt.

Bis heute finden jährlich Gedenkveranstaltungen an dem ein paar Monate später am Neuostheimer Flughafen errichteten Denkmal für die Opfer statt. Auch in der Coleman-Barracks wurde ein Gedenkstein für die Verunglückten gelegt. Das Unglück ist bis heute Thema bei den Mannheimer Hilfsorganisationen, es wird hier auch in der Zukunft nie in Vergessenheit geraten. Viele „Urgesteine“ der Mannheimer Blaulichtfamilie verbinden mit dem Unglück auch ganz persönliche Erfahrungen. Da wäre zum Beispiel Karlheinz Gremm, ehemaliger Leiter der Feuerwehr Mannheim, der zum damaligen Zeitpunkt seinen Ersatzdienst beim THW ableistete und ebenfalls bei der Bergung eingesetzt war. Oder Bernhard Kunkel, ehemaliger stellvertretender Leiter der Feuerwehr Mannheim, der zum damaligen Zeitpunkt über seinen Fallschirmsprungverein die Möglichkeit gehabt hätte, für Fotoaufnahmen ebenfalls an Bord von 292 sein zu können und aufgrund eines glücklichen Umstandes den Abflug verpasst hatte. Bernhard Kunkel war am darauffolgenden Tag dann ebenfalls bei den Bergungsmaßnahmen eingesetzt, immer mit der Gewissheit im Kopf, dass einige seiner Vereinskameraden bei diesem Unglück ums Leben gekommen waren. Oder Manfred Rude, ehemaliger Leiter der KFZ-Werkstatt der Feuerwehr Mannheim und ebenfalls Helfer im THW. Ihm gelang es, den Leiter der Verpflegungseinheit des THW davon zu überzeugen, für die Verpflegung der eingesetzten Helfer die Menuplanung schließlich auf etwas leichteres umzustellen, den Rest überlassen wir an dieser Stelle der persönlichen Vorstellungskraft.

Der Autor dankt allen, die ihm beim Verfassen dieses Textes, sei es mit Informationen oder Bildern, unterstützt haben. Namentlich sollen an dieser Stelle genannt werden: Torsten Krüger (ehem. THW Mannheim), Bernd Zingraff (Feuerwehr Mannheim Abteilung Nord), Volker Zingraff (ehem. Feuerwehr Mannheim Abteilung Nord ⴕ), Manfred Stiegel (ehem. THW Mannheim), Fritz Barth (ehem. THW Mannheim), Bernhard Kunkel (ehem. Berufsfeuerwehr Mannheim), Peter Spitzer (ehem. Berufsfeuerwehr Mannheim), Heiko Lenck (Sohn von Wolfgang Lenck, ehem. THW Mannheim) und Manfred Rude (ehem. THW und Berufsfeuerwehr Mannheim).

Im Gedenken an die 46 Opfer des 11. September 1982…….


Über den Autor

GEMEIN SCHAFT

1 Kommentar

  1. 1
    Lars de Vries

    Absolute Stille im Kopf bei diesen Zeilen…bemerkenswert zusammengefasst. Fast übermenschlich was die Hilfskräfte an solchen Tagen leisten und weiter noch ihr ganzes Leben lang “mitschleppen”…! Man kann sich gar nicht oft genug bedanken. Für mich auch immer wieder erstaunlich wie man nach so einem katastrophalen Unglück die Unglücksursache noch feststellen kann. Auch die geschriebenen Umstände das einer den Flug verpasst hat und am nächsten Tag mit zur Unterstützung mit eingeteilt war übersteigt meine Vorstellungskraft. Danke an alle Beteiligten das wir das geschriebene Wort und die Bild veröffentlichen durften.

    Lars de Vries

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